Auszeit auf Balkonien

»Mein Wasser ist zu warm!« Sasuke hüpfte zu Yuki auf die Liege und schaute sie vorwurfsvoll an.

Die zuckte die Achseln. »Was soll ich denn machen? Eiswürfel reintun?«

»Das wäre tatsächlich eine Idee.«

»Aber wird dir davon nicht schlecht? Verträgst du das Eis?«

»Ich habe einen stabilen Magen. Und mir ist warm!« Sasuke starrte Yuki noch einen Moment an, wie um seine Aussage zu unterstreichen, und verschwand dann durch die Balkontür nach drinnen.

Mit einem leichten Kopfschütteln erhob sich Yuki und folgte ihm.

Fasziniert sah sie kurz darauf zu, wie er wie ein Weltmeister im Schnellschlabbern sein Wasser trank – das nun zur Hälfte aus Eiswürfeln bestand. Wie der Herr Kater es angewiesen hatte.

Als er seinen Durst gelöscht hatte, machte er sich über den Inhalt seines Futternapfs her. Yuki holte sich derweil einen neuen Eistee aus dem Kühlschrank.

Als sie auf den Balkon zurückkehrte und es sich erneut auf der Liege gemütlich machen wollte, hatte sich Sasuke längst auf ihrem Badetuch zusammengerollt und gab sich schlafend. Yuki grinste und stupste ihn an. »Ich weiß genau, dass du nicht innerhalb der letzten Sekunden eingeschlafen bist.«

Der Kater gähnte demonstrativ und streckte sich. »Woher willst du das wissen? So lang wie du in der Küche warst …«

Yuki schenkte ihm einen skeptischen Blick. »Wer war noch mal der Kater, der meinte, er würde fast nie wirklich schlafen, sondern maximal ruhen, und wäre quasi immer hellwach? Hm, warte … das warst du.«

Sasuke fuhr sich mit den Pfoten über die Ohren, um diese zu putzen, und tat, als hätte er nichts davon gehört. Dann rollte er sich wieder zusammen und seufzte genießerisch.

Yuki stellte ihren Eistee ab und pflückte den Kater vorsichtig von der Liege. »Wir können uns den Platz gerne teilen. Aber du kannst Balkonien nicht für dich allein haben.«

Sasuke sah sie vorwurfsvoll an, protestierte jedoch nicht, als sie ihn am Fußende absetzte und sich neben ihm niederließ.

Sanft strich sie ihm übers Fell, worauf er leise zu schnurren begann und ihr seinen Bauchflausch zum Kraulen präsentierte. Mit einem Lächeln auf den Lippen kam Yuki seinem Wunsch nach.

Sie streichelte ihn einige Minuten lang, dann streckte sie sich selbst auf der Liege aus und lud Sasuke ein, sich neben ihr lang zu machen. Schmunzelnd sah sie zu, wie er sich erst noch etwas auf dem sonnigen Teil des Handtuchs räkelte, bevor er zu ihr in den Schatten kam.

»Liest du mir etwas vor?«, fragte der Kater, als Yuki an ihrem Eistee nippte und gerade überlegte, mit welchem Buch sie als Nächstes beginnen sollte.

Sie hob eine Augenbraue. »Seit wann interessierst du dich für meine Lektüre?«

Sasuke legte den Kopf schief. »Was soll ich mit deiner Lektüre? Ich meine – natürlich – meine Memoiren.«

»Deine Memoiren?« Yuki schaute ihn verdattert an.

»Hast du etwa immer noch nicht aufgeschrieben, was ich dir schon alles über mein spannendes Leben berichtet habe?«

»Äh, nein. Schreiben liegt mir nicht so. Außerdem wusste ich nicht, dass du buchige Ambitionen für deine Erlebnisse hast …«

»Pff … die Geschichte jedes Katzentieres ist es wert, aufgeschrieben und mit anderen geteilt zu werden. Und meine natürlich erst recht – schließlich bin ich nicht irgendein Kater!« Er sah sie auffordernd an.

»Sondern eine Maneki-neko, ich weiß. Aber das ändert nichts daran, dass ich nicht schreibe … da müsstest du dich mit Menschen zusammentun, die damit Erfahrung haben. Ich kann dir maximal einen Comic oder etwas in der Richtung anbieten.«

»Hmm …« Sasuke schwieg einen Moment und streckte sich. Dann machte er es sich erneut neben Yuki gemütlich. »Das wäre auch eine Idee. Wann fängst du damit an?«

Yuki lachte und strich ihm über das flauschige Köpfchen. »Nicht heute, auf jeden Fall. Dafür ist es viel zu warm – und ich habe mir eine Auszeit verdient.«

Der Kater wirkte nicht vollends überzeugt. »Morgen?«, fragte er und schaute sie aus großen Augen an.

»Vielleicht. Lass uns morgen darüber sprechen, ja?« Yuki lehnte sich zurück, atmete tief ein und aus und schloss die Lider. »Heute genießen wir meinen freien Tag.«

Sasuke musterte sie noch einen Moment, dann legte er ebenfalls den Kopf ab, trampelte leicht mit den Pfoten in der Luft und döste bald neben Yuki ein.

Umrisszeichnung eines aufgeschlagenen Buchs, aus dem Sterne und Blasen aufsteigen.,

Diese Geschichte ist ein kleines Spin-off zu meinem Roman »Der Kater unterm Korallenbaum, oder: Wünschen will gelernt sein« (2019).

Für diejenigen, die das Buch noch nicht kennen, gibt es z.B. hier weitere Infos:
Coverreveal „Der Kater unterm Korallenbaum“ von Christina Löw
Veröffentlichung: „Der Kater unterm Korallenbaum“ von Christina Löw