In der Weihnachtsbackstube
»Und ich würde auf jeden Fall gerne die hier, diese, die auch und die hier machen.« Isabel ging ihr Weihnachtsbackbuch durch und zeigte gefühlt auf jedes zweite Rezept. Yuki stand mit großen Augen daneben.
»Wer soll das denn alles essen? Und noch wichtiger: Wer soll das backen?«
»Na, wir natürlich.« Isabel lächelte sie an.
»Ähm, du erinnerst dich schon, dass ich mich vor dir maßgeblich von Fertiggerichten und ähnlichem ernährt habe, oder?«
»Leider nur zu gut.« Isabel rümpfte die Nase. »Aber das sollte dich nicht davon abhalten, mir zu assistieren, denke ich. Das hast du doch auch schon bei deinem Vater gemacht. Und hey, du hast mir immerhin mal ein ganzes japanisches Frühstück gezaubert.« Isabel zwinkerte Yuki zu.
»Und ich habe dir später auch gebeichtet, dass ich nicht gerade alles davon selbst zubereitet habe …«
»Hast du«, bestätigte Isabel. »Trotzdem. Ich glaube an dich.« Sie hauchte Yuki einen Kuss auf die Wange.
Die verzog gespielt empört das Gesicht. »Und jetzt willst du mich auch noch mit Liebesbekundungen zum Backen überreden.«
»Wenn’s funktioniert.« Isabel grinste.
»Ich habe nicht gesagt, dass es funktioniert«, protestierte Yuki schwach, lächelte aber. »In Ordnung, du hast deine Assistentin. Aber beschwer dich hinterher nicht, wenn die Plätzchen nicht schmecken.«
»Erst backen, dann kosten – und dann darfst du unter Umständen jammern. Auch wenn ich nicht denke, dass das nötig sein wird. Okay?« Isabel hob gespielt ernst eine Augenbraue.
»Okay.« Yuki seufzte übertrieben.
***
Während Isabel loszog, um die erste Ladung Zutaten zu besorgen, blieb Yuki mit Kater Sasuke daheim zurück. Sie wollte Isabel nicht beim Einkaufen zwischen den Füßen herumstehen – und brauchte zudem noch ein bisschen Zeit allein, um sich mental auf den adventlichen Back-Marathon vorzubereiten. Immerhin war es ihr erstes Mal.
Mit ihren Geschwistern und ihrem Vater hatte sie nie Plätzchen oder anderes Gebäck in der Vorweihnachtszeit hergestellt. Dazu war Mamoru zu traditionsbewusst gewesen, zu sehr verhaftet an den Bräuchen seines Heimatlandes – und in Japan wurde Weihnachten nun mal nicht sonderlich gefeiert. Ganz im Gegensatz zum Neujahrsfest.
Was ihr Vater wohl dazu sagen würde, dass sie mit Isabel Weihnachtskekse backte?
»Ich denke, er käme damit klar«, sagte Sasuke in ihre Gedanken.
Yuki wandte sich zu dem Kater um und strich ihm über den Rücken. »Meinst du wirklich?«
Sasuke nickte. »Er hat durchaus verstanden, dass deine Wurzeln eher in Deutschland als in Japan liegen. Dass du dich als Kölnerin fühlst. Es ist ihm nur nicht leichtgefallen, es zu akzeptieren. Mit dir darüber zu sprechen, ist ihm leider nicht mehr gelungen – aber er hat oft darüber nachgedacht.«
»Ich hätte so gerne mehr Zeit mit ihm gehabt.« Yuki blinzelte eine Träne weg, bevor diese über ihre Wange rinnen konnte.
»Das glaube ich dir sofort. Irgendwie bleibt nie genug Zeit – wenn ich nach meiner Erfahrung gehe.« Sasuke putzte sich die Ohren. »Aber lass uns über etwas Angenehmeres reden: Was für Plätzchen macht ihr für mich?«
»Für dich?«
»Na, denkst du etwa, ich möchte darbend daneben sitzen, während ihr euch mit Weihnachtskeksen vollstopft?«
Yuki hob eine Braue. »Ich glaube nicht, dass wir uns mit dem Gebäck vollstopfen werden. Und erstmal muss es ja gebacken werden.«
»Ganz meine Rede. Also?« Der Kater schaute sie mit zur Seite geneigtem Kopf an und machte große Augen.
»Wie sollte ich das denn Isabel erklären? Soll ich etwas sagen: Hör mal, mein Kater hätte auch gerne ein paar Sorten Plätzchen?«
»Nein, natürlich nicht. Schließlich soll es nach wie vor unser Geheimnis bleiben, dass ich sprechen kann – das hast du mir immerhin versprochen.«
»Wie stellst du dir das dann vor?«
»Na, ganz einfach: Du sagst ihr, dass du deinem Kater eine Freude machen und ihm ein paar katzengerechte Kekse backen möchtest. Schließlich sollte er – also, ich – auch etwas Schönes zum Advent haben.«
Yuki hätte schwören können, dass Sasuke sie verschmitzt angrinste. Sie schüttelte den Kopf und lachte. »Ich schaue, was sich machen lässt. Aber ich verspreche nichts.«
»Solange du dein Bestes gibst, bin ich sicher, dass es gut wird – und ich nicht weihnachtlich verhungern muss.« Damit drehte Sasuke sich um und verschwand in Richtung Küche.
Diese Kurzgeschichte ist kleines kurzes Spin-off zu meinem Roman »Der Kater unterm Korallenbaum, oder: Wünschen will gelernt sein«, das nach der Hauptgeschichte spielt. Entstanden ist dieser Text im Rahmen einer digitalen Adventsaktion.